3. Recht und Gerechtigkeit
Die Herstellung von Gerechtigkeit ist oberstes Ziel politischen Handelns; das Recht dient der Verwirklichung dieses Ziels. Zur Durchsetzung von Recht bedarf es einer starken, den demokratischen Rechtsstaat sichernden dritten Staatsgewalt.
Der LACDJ Sachsen setzt sich für eine leistungsstarke und leistungsfähige sächsische Justiz ein.
Justizpolitik darf nicht auf Kosten anderer Politikbereiche geschwächt werden. Für einen starken Rechtsstaat ist ein starkes Justizministerium notwendig, das sich auf die Justiz als seine Kernaufgabe konzentriert.
- a) Stärkung der Gerichte und Staatsanwaltschaften
Die Verfahrenszeiten an sächsischen Gerichten sind - zumindest in Teilbereichen - immer noch zu lang, insbesondere im Strafrecht. Richterinnen und Richter dürfen mit teilweise unerträglich hohen Beständen an (Alt-)Verfahren nicht alleingelassen, sondern müssen - soweit möglich - unterstützt werden. Vor dem Hintergrund der in Art. 97 GG, Art. 77 Abs. 2 SächsVerf statuierten richterlichen Unabhängigkeit verbietet sich eine Einflussnahme der Politik auf die Arbeitsweise von Richterinnen und Richtern genauso wie auf die richterliche Geschäftsverteilung.
Dem Staat verbleibt es daher, den Rahmen zu schaffen, damit die Gerichte die anfallenden Verfahren in angemessener Zeit bewältigen können. Hierzu gehört insbesondere eine ausreichend starke personelle Ausstattung der sächsischen Gerichte.
Die Besetzung der sächsischen Gerichte und Staatsanwaltschaften darf nicht hinter dem nach Pebb§y zu berechnenden Personalbedarf zurückbleiben. Der LACDJ Sachsen setzt sich für eine verbindliche Pebb§y-Besetzungsquote von 100 % ein.
Vor dem Hintergrund, dass in den nächsten zehn Jahren ein hoher Anteil von Richterinnen und Richtern pensioniert wird, ergeben sich besondere Herausforderungen für die Justizpolitik. Der anstehende Generationenwechsel in der sächsischen Justiz muss mit Weitsicht angegangen werden, um für die Zukunft eine ausgewogene Altersstruktur bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften zu schaffen. Vorgezogene Neueinstellungen glätten auf lange Sicht nicht nur Unebenheiten in der Altersstruktur, sondern wirken sich auch positiv auf altersbedingte strukturelle Leistungsdefizite aus. Sie können krankheitsbedingte Ausfälle von Kolleginnen und Kollegen ausgleichen, die mit zunehmendem Alter vermehrt auftreten und bei der Personalbedarfsberechnung nicht immer hinreichend abgebildet werden.
Eine leistungsfähige Justiz bedarf eines starken personellen Unterbaus. Wachtmeisterinnen und Wachtmeister, Justizsekretärinnen und Justizsekretäre, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sind für eine funktionierende dritte Gewalt genauso wichtig wie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richterinnen und Richter. Auch in diesen Bereichen darf die Besetzung nicht hinter dem nach Pebb§y zu berechnenden Personalbedarf zurückbleiben.
- b) Besondere Stellung der Staatsanwaltschaften
Staatsanwaltschaften und Gerichte erfüllen gemeinsam die Aufgabe der Justizgewährung. Im Gegensatz zu Richterinnen und Richtern (Art. 97 GG, Art. 77 Abs. 2 SächsVerf) wird Staatsanwältinnen und Staatsanwälten von der Verfassung keine Unabhängigkeit zugeschrieben. Staatsanwaltschaften unterliegen dem (einfachgesetzlichen) allgemeinen Weisungsrecht des Justizministeriums gemäß § 147 Nr. 2 GVG.
Die jüngere Rechtsprechung des EuGH zum europäischen Haftbefehl (Urteil vom 27. Mai 2019, Az. C-508/18) gibt keinen Anlass, den Staatsanwaltschaften weitgehende Unabhängigkeit einzuräumen. Soweit für die europäische Rechtshilfe das Handeln unabhängiger Justizbehörden erforderlich ist, müssen die Aufgaben durch deutsche Gerichte wahrgenommen werden.
Staatsanwaltschaften sind Teil der Exekutive und unterliegen daher der mittelbaren demokratischen Kontrolle durch die Parlamente über die Justizministerien. Das durch den Grundsatz der Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 2 GG, Art. 3 Abs. 1 SächsVerf) demokratisch gebundene Legitimationsniveau darf nicht unterschritten werden; es dient der Vermeidung von Einflussknicken und demokratischen Legitimationsdefiziten.
Im Hinblick auf die besondere Stellung der Staatsanwaltschaften ist das ministerielle Weisungsrecht schonend auszuüben. Förmliche Weisungen der Justizministerinnen und Justizminister sind nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig. Sie unterliegen dem Legalitätsprinzip, dürfen nicht politisch motiviert sein und sind gegenüber dem Parlament zu verantworten.
Der LACDJ Sachsen spricht sich für die Einführung eines Richtervorbehalts zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe aus, deren Anordnung bislang der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde obliegt (§ 459e Abs. 1 StPO).
- c) Modernisierung und Digitalisierung der Justiz
Der digitale Wandel in der Gesellschaft macht vor Gerichten und Staatsanwaltschaften keinen Halt. Die Justiz muss sich den damit verbundenen Herausforderungen stellen und darf im Hinblick auf den Fortschritt der Digitalisierung nicht hinter anderen Bereichen zurückstehen, insbesondere nicht gegenüber der Wirtschaft und der Anwaltschaft.
Die Einführung der E-Akte ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Um ihren Erfolg abzusichern, muss die Justiz auf bestmögliche digitale Ausstattung und umfassende Schulung ihrer Bediensteten setzen. Ebenso sind die Möglichkeiten des Einsatzes intelligenter Systeme in den Blick zu nehmen.
Die Digitalisierung der Justiz kann nicht ohne die Menschen erfolgen, die in der Justiz tätig sind. Sie müssen mitgenommen werden.
Der LACDJ Sachsen setzt sich dafür ein, sächsische Gerichte bestmöglich digital auszustatten. Die Möglichkeit von Onlineverhandlungen, wie sie § 128a ZPO, § 102a VwGO, § 91 FGO für den Zivil-, Verwaltungs- und Finanzprozess vorsehen, darf nicht nur auf dem Papier bestehen. Onlineprozesse müssen auch praktisch durchführbar sein.
Strafverhandlungen unterliegen Besonderheiten. Die Pflicht zur Wahrheitsfindung geht einher mit der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. In besonders gelagerten Ausnahmefällen muss es auch im Strafprozess möglich sein, Zeugen und Sachverständige per Bild und Ton der Verhandlung zuzuschalten. Wenn schon jetzt die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen unter bestimmten Voraussetzungen durch Verlesung von Vernehmungsprotokollen oder schriftlichen Erklärungen ersetzt werden kann (§ 251 Abs. 1, 2 StPO), muss in diesen Fällen erst recht eine Videovernehmung des Zeugen oder Sachverständigen möglich sein. Gleiches gilt im Beweisantragsrecht: Wo ein Antrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen (§ 244 Abs. 5 Satz 2 StPO) oder eines unerreichbaren Beweismittels (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 5 StPO) abgelehnt werden kann, muss zum Zwecke der Aufklärung erst recht dessen Onlinevernehmung möglich sein. Ein online der Hauptverhandlung zugeschalteter Zeuge oder Sachverständiger ist immer noch besser als einer, der der Verhandlung nicht oder nur per Verlesung seiner Vernehmungsniederschrift zur Verfügung steht. Der geringere Beweiswert von Online-Aussagen ist bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.